Natürlich könnten wir - wie das auch heute noch vielerorts passiert - Rechtsbrecher für die im Urteil angegebene Dauer relativ preisgünstig und sehr sicher "wegschließen". Aber irgendwann ist jede Strafzeit zu Ende. Und dann?
Mauern, Gitter, Zäune und Stacheldraht haben die Gesellschaft in Jahrhunderten nicht entkriminalisiert. Niemand wird behaupten wollen, nach Ablauf der im Urteil angegebenen Strafzeit sei der Verurteilte geläutert, die Welt wieder sicher und in Ordnung. Im Gegenteil: Es ist noch keinem gelungen, einen Straftäter durch Wasser, Brot und Tütenkleben zu einem rechtstreuen Mitmenschen zu erziehen. Hinzu kommt, dass der Vollzug auch schädliche Folgen haben kann: die soziale Trennung von der Familie und der Verlust des Arbeitsplatzes sind zusätzliche, von der Verurteilung nicht gewollte Belastungen, die die Chancen auf Besserung sogar verschlechtern.Was machen wir also?
Wir setzen alles daran, Gefangene fit zu machen für ein straffreies Leben
Das Strafvollzugsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StVollzG NRW) gibt uns einen klaren Auftrag:
Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dem Ziel, Gefangene zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§1 StVollzG NRW).
Wir in der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel gehen davon aus, dass der kontrollierte Umgang mit Freiheiten den besten Resozialisierungserfolg bringt. Da wir eine Anstalt des offenen Vollzuges sind, können wir Gefangene im Umgang mit Freiheiten erproben. Beispielsweise können die sozialen Bindungen der Gefangenen an ihre Familien durch mehr Kontaktmöglichkeiten gefördert werden, oft kann sogar der bisherige Arbeitsplatz erhalten bleiben. Es verbessert die Chancen auf ein straffreies Leben deutlich, wenn bei der Entlassung Wohnung und Arbeit vorhanden sind und eine soziale Gemeinschaft den Gefangenen wieder aufnimmt.
Das Justizministerium hat schon in den Leitlinien für den Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen, die als Vorläufer des Anfang 2015 in Kraft getretenen neuen Landesstrafvollzugsgesetzes galten, ausgeführt:
5.5 Offener Vollzug
Der offene Vollzug bietet mit seiner Öffnung nach außen die besten Voraussetzungen für eine an den Lebensverhältnissen in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung. Er bietet insbesondere die Möglichkeit, durch die Gewährung von Lockerungen sowohl den bisherigen Arbeitsplatz zu er halten als auch die sozialen Bindungen zu pflegen.
Der offene Vollzug ist Regelvollzug für diejenigen Gefangenen, die unter dem Gesichtspunkt der Flucht- und Missbrauchsgefahr in Anstalten untergebracht werden können, die geringe instrumentelle Sicherheitsvorkehrungen aufweisen. Dies trifft insbesondere zu für Gefangene, die sich im Anschluss an ihre Verurteilung auf freiem Fuß befinden. Eine am Stand der Wissenschaft orientierte Eignungsuntersuchung unterstützt zielgerichtet die Auswahl der Gefangenen."
Daher müssen wir uns mit jedem Gefangenen und seiner Problematik einzeln beschäftigen. Dazu stehen in unserer Anstalt sog. "Fachdienste" zur Verfügung, nämlich Betreuer, Sozialarbeiter, ein Arzt, ein Psychologe und Seelsorger. Wir kümmern uns also unter allen möglichen Gesichtspunkten ("interdisziplinär") um die Gefangenen.
Das kostet Kraft, Zeit und Geld, das bekanntlich immer knapper wird. Wir müssen also jeden einzelnen Gefangenen so genau wie möglich kennen lernen, damit die knapp gewordenen Behandlungsangebote sparsam und zielgerichtet eingesetzt werden können. Nur dann haben wir gut investiert. Hinzu kommt: Nur wenn wir den einzelnen so genau wie möglich kennen, können wir die Verantwortung für die Erprobung von Gefangenen in Freiheit übernehmen. Das nehmen wir sehr ernst; wir machen keine Experimente.
Hier erhalten Sie einen Überblick über die einzelnen Fachdienste und deren Behandlungsmöglichkeiten: